Sätze von der Stange

Mette Frederiksen. Foto: Statsministeriet

Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen führt live vor, was Künstliche Intelligenz beim Redenschreiben schon kann – und was nicht.

Werden Redenschreiberinnen und Redenschreiber künftig arbeitslos, weil Künstliche Intelligenz (KI) wie ChatGPT ihre Arbeit übernimmt? Dass sie selbst das nicht so sehen, dürfte niemanden wundern. Aber jetzt bekommen sie auch Unterstützung von prominenter Seite: Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat mit einer kleinen „Performance“ auf ihre Art eine Antwort auf die Frage gegeben: Wie SpiegelOnline  berichtet, las Sie im Parlament mehrere Zeilen aus einem Manuskript, unterbrach dann ihren Vortrag und teilte dem erstaunten Publikum mit: „Diese Worte stammen nicht von mir. Auch nicht von einem anderen Menschen, sondern von einer KI.“

Auf diese wollte sie darauf aufmerksam machen, was die neue Technik bereits kann und dass es sich längst nicht mehr um Zukunftsmusik handelt. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, wo – bisher jedenfalls – die Schwächen der Technologie liegen. Sie produziert Sätze wie: „Wir haben hart daran gearbeitet, parteiübergreifend zusammenzuarbeiten und eine starke und nachhaltige Zukunft für Dänemark sicherzustellen.“ Also: Sätze „von der Stange“, wie sie mitunter – leider – auch von menschlichen Textproduzentinnen und -produzenten geliefert werden. Aber auch dadurch werden sie nicht besser. Und können keineswegs zur Nachahmung empfohlen werden.

Diese Technologie hat in ihrem derzeitigen Stadium kein tiefes Verständnis von Sprache, wie wir uns das zuschreiben.

Genau das aber macht eine KI wie ChatGPT: nachahmen. Selbst Google-Chef Sundar Pichai äußerste sich jüngst in der FAZ  kritisch zum derzeitigen Stand derzeitiger Sprach- und Schreib-KI: „Diese Technologie hat in ihrem derzeitigen Stadium kein tiefes Verständnis von Sprache, wie wir uns das zuschreiben.“ Sie verstünde Sprache nicht wirklich. Stattdessen handele es sich bei den Programmen um „Nächste Wort-Vorhersager“, die auf Statistik fußen. Und um diese Vorhersagen treffen zu können, greifen sie leider gerade auf jene Sprach- und Sprechhülsen zurück, die nicht gut, aber weit verbreitet sind. Sollten sich immer mehr Rednerinnen und Redner darauf verlassen, droht uns eine drastische Zunahme an Langeweile und verbaler Einheitskost. Denn was würde wohl eine kulinarische KI vor allem auf den Tisch bringen, wenn man sie zuvor mit den Daten der empirischen Wirklichkeit füttert? Schnitzel oder Sterneküche? Mette Frederiksen hat das eindrucksvoll vorgeführt. Ihre Redenschreiber, heißt es, haben sich noch nicht dazu geäußert. Warum auch? Man kann sich ja denken, was sie von ihrer KI-Kollegin halten.

Den vollständigen Redetext in dänischer Sprache finden Sie hier. Wenn Sie kein Dänisch können, erstellt Künstliche Intelligenz in Sekundenschnelle eine Übersetzung.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Elfi Thiemer
    3. Juni 2023 12:41

    „Weniger von der Stange!“
    Vielleicht bewirkt das dänische Experiment, dass in der Politik mehr reflektiert wird? WAS in den Reden gesagt wird, WIE es formuliert und präsentiert wird. Mit all den Möglichkeiten, die ChatGTP (derzeit) noch nicht hat: politischen Instinkt, ehrliche Anliegen und Gefühle, Empfindungen, Empathie, Ironie, Färbungen, Ahnungen, Nuancen, Grauzonen, Zwischentöne – eben alles Lebendige der Sprache. Von Mensch zu Mensch. Sonst kann es passieren, dass ChatGTP zu „klug“ und irgendwann zu übermütig wird 🙂

  • Thilo v Trotha
    5. Juli 2023 12:17

    Sehr interessante News. Die noch vorhandene Schwäche des Systems laßt Redenschreibern Zeit, ihre Rolle für Zeiten zu definieren, in denen das System vorhersehbar besser wird

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.