Zwischenbilanz DAX 30-Redenanalysen: Wimpernschlagfinale

Königswinter. Die meisten Hauptversammlungen der DAX 30-Konzerne haben stattgefunden und nie war der Spitzenplatz als bester Redner härter umkämpft. Das ergaben die Analysen von 20 erfahrenen Mitgliedern des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). Bereits zum achten Mal verfolgen sie Hauptversammlungen und nehmen die Reden der CEOs kritisch unter die Lupe. „Bisher ist es ein Wimpernschlagfinale, das Telekomchef Timotheus Höttges diesmal nur ganz knapp vor Oliver Zipse, BMW-Vorstandsvorsitzender, für sich entscheiden konnte“, gab Jacqueline Schäfer, Präsidentin des VRdS, heute bekannt. Was die Analysten am meisten verwundert: „Die Konzerne fordern von der Bundesregierung immer, sie müsste mehr für die Digitalisierung machen. Aber wenn diese Unternehmen mal zeigen können, wie sie die Potenziale digitaler Technologien einsetzen können, gibt es bei den meisten nur Schwarzbrot statt Cremeschnittchen“, kritisiert Schäfer.

Nur wenige DAX30-Konzerne inszenieren die virtuelle HV professionell

Lediglich die Deutsche Bank ließ im Livestream Fragen der Aktionär*innen zu. Die anderen Unternehmen veröffentlichten ihre Redemanuskripte etwa eine Woche vor der HV und akzeptierten schriftlich eingereichte Fragen ihrer Kapitalgeber. Bei den meisten Hauptversammlungen handelte es sich wie im letzten Jahr um abgefilmte Präsenzformate. „Rund zwei Drittel der DAX30-Konzerne zeigten eine gewöhnliche Inszenierung mit einem Pult, an dem die Vorstandssprecher teilweise wie angewurzelt wirkten“, beschreibt es Christian Gasche, VRdS-Pressesprecher und Koordinator des VRdS-Analyseprojektes. Viele kämpften zudem mit ihren Telepromptern und schafften es deshalb nicht, Nähe zu ihren Zuhörenden herzustellen. „Im virtuellen Raum gibt es kein Applaus-O-Meter. Der Redner kann keinen Augenkontakt zu den Zuhörenden aufbauen, er erhält kein unmittelbares Feedback, das ihn anspornt oder frustriert“, beschreibt Christian Gasche die Herausforderungen. Der virtuelle Rahmen schafft eine schier unüberwindbar erscheinende Distanz. „Der Redner muss diese Distanz mit seinem Auftritt und die Regie mit der Inszenierung dennoch überwinden. Es sind also Anforderungen wie bei einer TV-Produktion. Und die haben eigentlich nur die Telekom, BMW und Daimler mit ihren Inszenierungen überzeugend erfüllt“, so Gasche.

Immer wichtiger: Gesellschaftliche Verantwortung

Erfreulich ist die Entwicklung bei den Inhalten der Reden. Fast alle Unternehmenslenker definieren ihren Unternehmenszweck heute breiter als noch zu den Zeiten, als Jürgen Schrempp den Shareholder-Value ins Zentrum stellte. Die Themen Nachhaltigkeit und Diversität gehören heute zur Unternehmensstrategie. Bis auf die Produktebene arbeiten die Konzerne an ihrer Klimaneutralität. Und sie reden darüber, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen wollen. „In den DAX30-Konzernen ist angekommen, dass sie in Zukunft nur mit dieser klaren Positionierung die Kundenakzeptanz erhalten können; und die Kapitalgeber haben das auch verstanden“, lobt Christian Gasche

Sprache & Rhetorik auf formale Verständlichkeit getrimmt

Auch bei Sprache und Rhetorik hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert. „Lange Schachtelsätze, umständlichen Passivkonstruktionen, Nominalisierungen, Abkürzungen, Füllwörter oder altertümlichen Redewendungen gehören bei fast allen Rednern der Vergangenheit an“, stellt Jacqueline Schäfer fest. „Einige Konzerne nutzen auch die Hilfe von Computerprogrammen, um die Verständlichkeit ihrer Redemanuskripte zu verbessern“, vermutet die Präsidentin des VRdS. So positiv dies ist, können zu viele kurze Sätze auch Eintönigkeit bewirken. „Das Pendel schwingt hier zurück und darunter leiden dann einige Reden bei der Verständlichkeit. Sprach- und Sprechmelodie gehen verloren“, kritisiert Jacqueline Schäfer.

Ergänzende Infos

Ausführliche Informationen zur Zwischenbilanz des VRdS über die Reden der DAX30-Vorstände finden Sie in einem ausführlichen Blog-Beitrag.