Von politischen Blasen, sprachlichen Schutzhüllen und Floskelhaftigkeit
Redenschreiber aus Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutierten beim 5. Salongespräch im Goethe-Museum Düsseldorf mit Politikern und Rhetorik-Experten den rhetorischen Erfolg von Populisten, die politische Redekultur in Deutschland und die Zukunft ihres Berufsstands
VRdS-Mitgliederversammlung mit Präsidiumswahl und Austausch über den Einfluss von KI auf die kreative Arbeit der Redenschreiber
„Für einen Listenplatz musst Du nicht die Sprache des Volkes sprechen.“ So erklärt sich Frank Stein, Bürgermeister von Bergisch Gladbach, die Beobachtung, viele Politiker hätten sich sprachlich von den Menschen im Land entfernt. Beim 5. Salongespräch des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) diskutierten neben Stein am vergangenen Samstag Rhetorik-Experte Prof. Dr. Karl-Heinz Göttert, Journalistin Dr. Christiane Hoffmans und VRdS-Präsident Peter Sprong die Frage: „Spricht die Politik noch die Sprache des Volkes?“.
Floskeln und Parteiblasen
Ein Problem, so Frank Stein, sei eine gewisse „Floskelhaftigkeit“ in der Politik: Es gebe eine ganz eigene Sprache, die sich in den einzelnen Parteien über die Jahre etabliert habe. „Diese Blase, diese sich gegenseitig bestätigende Gruppe, macht Politiker nicht zu den besten Rednern, sondern ist häufig eher hinderlich.“
Für Christiane Hoffmans ist in dem Zusammenhang schon allein die Bezeichnung „das Volk“ ein Problem: „Wer ist das eigentlich? Das ist ja keine homogene Masse.“ Sie würde daher den Begriff „Bevölkerung“ bevorzugen. Einige Politiker würden außerdem grundsätzlich eine Art Schutzhülle um ihre Aussagen legen: „Sie werden nicht mehr konkret.“
Können nur gute Menschen gute Redner sein?
Rhetorik-Experte Prof. Göttert erklärt den Erfolg von Politikern wie Donald Trump unter anderem damit, dass er mit Gewohntem breche. In Europa sei die Redekunst häufig zu „durchkonstruiert“. „Trump punktet mit dem Element der Frechheit.“ Seine Unterstützer seien dankbar, dass er von der Kommunikationsweise etablierter Politiker abweiche. Trump schaffe es, die Menschen emotional zu erreichen, mit Beobachtungen, Geschichten – und auch mit einer gewissen Dreistigkeit. Prof. Göttert: „Bei der Behauptung, nur gute Menschen könnten gute Redner sein, fasse ich mir an den Kopf.“
Peter Sprong unterstrich die These, dass ein Teil des Erfolgs populistischer Politiker und Parteien damit zusammenhänge, ein rhetorisches Vakuum gefüllt zu haben, das andere ihnen überlassen hätten.
„Nicht zu verkopft sein!“
Bürgermeister Frank Stein: „Wir dürfen nicht zu verkopft sein. Sonst erreichen wir die Menschen nicht mehr!“ Er appellierte außerdem an die Verantwortung, die jeder Politiker in Deutschland bei öffentlichen Auftritten habe: „Wir müssen dazu beitragen, dass die Menschen sich weiter mit dem Gemeinwesen identifizieren!“
VRdS-Preis für Wirtschaftsrhetorik
Im Rahmen der Abendveranstaltung wurde auch der VRdS-Preis für Wirtschaftsrhetorik überreicht. In diesem Jahr zeichnete der Verband die HV-Reden von BASF, E.ON und Siemens aus. (Zur Pressemitteilung)
Das Salongespräch fand anlässlich der diesjährigen VRdS-Mitgliederversammlung statt. Die Redenschreiber befassten sich während ihrer Jahrestagung in Düsseldorf unter anderem mit Künstlicher Intelligenz und der Zukunft ihres Berufsstands.
Expertenvortrag zum Thema Redenschreiben und KI
In einem Impulsvortrag beschrieb VRdS-Präsidiumsmitglied Daniel Jungblut KI als praktischen Kollegen, nicht als Konkurrenten. Zwar würden einige Schreibjobs durch die neuen Sprachmodelle wegfallen, den Job professioneller Redenschreiber sehe er jedoch nicht in Gefahr. Denn das, was eine gute Rede ausmache, könne KI laut VRdS ohnehin nicht liefern: das Persönliche, Authentische, Überraschende. Neue Sprachmodelle würden Redenschreiberinnen und Redenschreiber in ihrer Arbeit unterstützen – und ihnen mehr Zeit für neue Gedanken geben.
Präsidium bestätigt
In Düsseldorf fanden auch die VRdS-Präsidiumswahlen statt: Peter Sprong (Präsident), Jürgen Sterzenbach (Vizepräsident) und Daniel Jungblut (Schriftführer) wurden wiedergewählt, neu im Präsidium sind die bisher kooptierten Mitglieder Katja Freter (Schatzmeisterin) und Jutta Lütkecosmann (Pressesprecherin). Ehrenpräsident ist Verbandsgründer Dr. Thilo von Trotha.