Zwischen Halbsatz-Stakkato und Highlights – VRdS analysiert Hauptversammlungsreden der DAX-Vorstände
Berlin/Königswinter, 06. Juni 2025. Mehr Qualität, neue Gesichter und neue Formate – doch es bleibt Luft nach oben: Der Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) hat die Hauptversammlungsreden der 40 DAX-Unternehmen unter die Lupe genommen. Wer mit seinem Auftritt überzeugte, wer die stärkste Zuversicht und Visionskraft ausstrahlte und welche Rede rhetorisch glänzte, analysierten 20 erfahrene Redenschreiberinnen und Redenschreiber aus Deutschland und Österreich anhand von rund 20 Einzelkriterien. Bewertet wurden unter anderem Argumentation, Inszenierung, Stil und Ausdruck der CEO-Reden. Eine siebenköpfige Jury kürte schließlich die Sieger in den Kategorien Rhetorik, Auftritt und in der diesjährigen Sonderkategorie Zuversicht.

Das Ergebnis: Der Preis für die beste Rhetorik geht 2025 an Dr. Markus Kamieth, Vorstandsvorsitzender der BASF SE. In der Jury-Begründung heißt es: „Der neue BASF-CEO liefert eine Aufbruch-Rede im besten Sinne – und punktet mit rhetorischen Figuren, die sich natürlich in die Rede einfügen, ohne sie zu überfrachten. So spielt Kamieth beispielsweise mit Alliterationen und Kontrasten – etwa: ,Wir brauchen Lust auf Neues statt Nostalgie. Machen statt Meckern. Aufbruch statt Abgesang´.“ Neben der abwechslungsreichen Satzgestaltung und rhetorischen Highlights überzeuge er in seiner ersten Hauptversammlungs-Rede außerdem mit einer einfachen, nachvollziehbaren Struktur und wirkungsvollen Zielsätzen. „Eindeutig preiswürdig!“

Den besten Auftritt lieferte in diesem Jahr Siemens-Energy-CEO Dr. Christian Bruch. Laut VRdS-Urteil setzt er mit seiner herausragenden Inszenierung einen neuen Standard – hochprofessionell und durchweg modern. „Die zugewandten und herzlichen Bühnendialoge mit Mitarbeitenden gehören zu den Höhepunkten der diesjährigen HV-Saison“, heißt es in der Jurybegründung. „Bruch spricht charismatisch und ungekünstelter als andere CEOs: Man glaubt ihm das, was er erzählt – und, dass er sich wirklich freut, wenn er sagt, er freut sich.“ Dies liege vor allem an seiner freundlichen und offenen Mimik sowie an seiner guten Modulation: „Damit hat sich Bruch gegenüber seinem Vorjahresauftritt nicht nur deutlich verbessert. Er setzt auch einen neuen Maßstab.“

In der diesjährigen Sonderkategorie Zuversicht zeichnet der Verband den Vorstandsvorsitzenden der MTU Aero Engines, Lars Wagner, aus. „Wagner zeigt in seiner Rede eine Vision auf, die über das eigene Unternehmen hinausreicht: nachhaltiges Fliegen, die fliegende Brennstoffzelle und die Chance, die Souveränität Europas zu stärken.“, so die Jury. „Wagner stellt keine Forderungen an die Politik, sondern beschreibt, was sein Unternehmen alles selbst anpackt: Verteidigung, ökologische Nachhaltigkeit, sicheres Fliegen.“ Gerade in Zeiten großer Unsicherheit seien Visionskraft, Verlässlichkeit und Stärke, die er mit seiner Hauptversammlungs-Rede vermittelt, besonders wertvoll.
Rolle der Aufsichtsratsvorsitzenden und eine Newcomerin
Wie schon im vergangenen Jahr, beobachtet der VRdS wieder ein starkes Qualitätsgefälle zwischen den CEO-Reden und den häufig nichtinszenierten Reden der Aufsichtsratsvorsitzenden. „Hier wird leider die Chance vertan, die Hauptversammlung als stimmiges Gesamt-Event zu inszenieren“, so Jury-Vorsitzender Patrick Maloney. Es gebe allerdings auch Aufsichtsratsvorsitzende, die ihren Part besonders wirkungsvoll nutzen würden. In diesem Jahr sind das laut VRdS vor allem Joe Kaeser (Daimler Truck und Siemens Energy) und Prof. Dr. Ralf P. Thomas (Siemens Healthineers). Einen besonders lockeren und humorvollen Auftritt legt laut VRdS René Obermann, Aufsichtsratsvorsitzender von Airbus, hin. Sein Auftritt stehe im starken Kontrast zu dem etwas steifen Auftritt seines CEOs.
Als vielversprechende Newcomerin des Jahres nennt die Jury Karin Rådström von Daimler Truck „Das war ein souveräner Auftritt mit viel Potenzial“, so Co-Jury-Vorsitzende Dr. Elisa Franz. „Ihre erste Rede auf Deutsch hat Frau Rådström in perfekter Modulation gehalten – wir freuen uns auf ihren nächsten Auftritt.“
Außer Konkurrenz – ein erstklassiger Timotheus Höttges
Der mehrfache rhetorische Sieger der Redeanalysen der Vorjahre, Telekom-Chef Timotheus Höttges, hielt auch in diesem Jahr wieder eine erstklassige Rede. Fünfmal hintereinander hatte er den ersten Platz belegt, weshalb sich der VRdS dafür entschied, bisherige und künftige Sieger, die mehr als dreimal hintereinander den ersten Platz belegt haben, nur noch außer Konkurrenz zu bewerten. Auch rhetorische Newcomer und Aufsteiger sollten die Chance zu einer Auszeichnung erhalten. Dafür wurde 2023 der VRdS Preis für Wirtschaftsrhetorik ins Leben gerufen.
Weitere Beobachtungen der Jury:
„Show ist nicht immer besser als Standard. Michael Sen (Fresenius) zum Bespiel zeigt mit seiner sehr natürlichen Art zu sprechen, dass man auch am Rednerpult einen gewinnenden Auftritt hinlegen kann.“ (Schifra M. Wittkopp)
„Die meisten CEOs achten auf die Verständlichkeit ihrer Reden, indem sie kurze Sätze nutzen. Immer öfter sind es aber nur hintereinandergestellte Halbsätze. Dieses Halbsatz-Stakkato nimmt inzwischen überhand. Es wirkt gehetzt und gekünstelt.“ (Anja Martin)
„Digitale Formate haben ihre Vorteile – heuer haben auch alle drei Preisträger eine virtuelle Hauptversammlung abgehalten. Und trotzdem bleibt der Eindruck: Noch lieber würde man sie auf einer Bühne sehen, spüren, ob der Funke überspringt, wissen, ob der Witz beim Publikum zündet.“ (Dominik Sinnreich)
„Erkennbare Freude am Sprechen und Freude am Anlass, die sich in Mimik und Körpersprache spiegelt, ist eine Rarität. Dabei wirkt ein kurzer Kontakt zur Audience durch ein Lächeln Wunder – und erzeugt Sympathie und Nahbarkeit.“ (Kamila Joanna Laures)
„Top-Manager sind nicht immer gleichzeitig Top-Redner – aber sie können lernen, es zu werden. Wir haben den Preis ins Leben gerufen, um zu zeigen: Reden wirken – nach innen und außen. Es lohnt sich daher, in einen guten Auftritt und gute Reden zu investieren.“ (Jury- und VRdS-Präsidiumsmitglied Daniel Jungblut)
Bisherige Preisträger
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2024: Dr. Roland Busch, Siemens AG (Rhetorik), Martin Brudermüller, BASF (Auftritt), Dr. Leonhard Birnbaum, E.ON (Ethos)
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2023: Martin Brudermüller, BASF SE (Rhetorik), Bjørn Gulden, Adidas (Auftritt), Roland Busch, Siemens (Storytelling)
Medienpartnerschaft 2025 ist das prmagazin erstmals Medienpartner des VRdS Preises für Wirtschaftsrhetorik. Die Fachzeitschrift für die Kommunikationsbranche erscheint seit 1975 im Medienhaus Rommerskirchen und richtet sich an Kommunikationsprofis in Unternehmen, Organisationen und Agenturen.