Auch eine kleine Rede kann groß sein. Das bewies am Volkstrauertag die 18-jährige Deutsche Martha Friese in der Feierstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Deutschen Bundestag. Martha zählte zu weiteren drei jungen Leuten aus Israel, Moldavien und Großbritannien, die vor dem beeindruckenden Auftritt des britischen Thronfolgers Prinz Charles ihre Beweggründe darlegen durften, warum sie sich für ein Friedensprojekt über Gräber hinweg engagieren.
Frieden und Versöhnung sind Themen, die leicht zu Abstraktion und Pathetik verleiten. Nicht bei Martha Friese. Sie überzeugte deshalb, weil sie am Beispiel ihrer Familie mitten hinein stieß in das Dilemma vieler deutscher Familien, Scham zu überwinden und zu zeigen, wie wichtig es ist, die Last der Vergangenheit abzutragen. Sie machte dies am Beispiel ihrer beiden Urgroßväter fest – der eine (was über Jahrzehnte als Familiengeheimnis gehütet wurde) ein strammer SA-Mann, der andere ein gelähmtes Kriegsopfer. Das hat sie frei und mit Bravour vorgetragen und daraus ihre Rede entwickelt, die hoffnungsvoll stimmte. „Wir sind alle Perlen einer Kette, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinender verbindet. Lasst uns offen auf die Vergangenheit schauen, um mutig die Zukunft zu gestalten,“ so ihr Appell. Sie gab der Feier – wie ich meine – zusätzliches Gewicht.
Prinz Charles trat, wie es am britischen „Remembrance Sunday“ üblich ist, im Schmuck seiner Orden auf. Er erlebte mit dem Totengedenken im Bundestag eine Gedenkveranstaltung eines Landes, das sich aufgrund seiner Geschichte auf sehr verhaltene Weise seiner Toten und der Opfer von Krieg, Gewalt und Terror erinnert – ja, erinnern muss.
Willi Vogler