CEOs sind das Gesicht ihres Unternehmens. Sie stehen mehr denn je unter Beobachtung der Öffentlichkeit. Deshalb kommt es darauf an, was sie sagen und wie sie es sagen. Dabei können sie einiges von Politikern lernen.
Politiker wissen um die Endlichkeit ihres Amtes
Politiker sind sich der Macht der Worte bewusst. Denn politisches Handeln ist immer Sprachhandeln. Überzeugt wird in Demokratien nicht mit Macht oder gar physischer Gewalt, sondern mittels der Rede.
Politiker haben deshalb auch ein ausgeprägtes Gespür dafür, wann welche Rede dran ist. Inhalt, Wortwahl und Tonalität richten sich nicht nur nach dem Redeanlass und der Persönlichkeit des Redners. Sie sind ebenso sehr davon abhängig, wo sich der Redner in seinem politischen Lebenszyklus gerade befindet.
Das erkennt man wunderbar daran, wie unterschiedlich Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz zum Umgang mit der Corona-Pandemie sprechen. Mit den Worten von Gabor Steingart:
Deutschland besitzt eine Regierung der zwei Tonalitäten. Da ist zum einen der draufgängerische Scholz-Ton, der von der finanzpolitischen „Bazooka“ berichtet, die mit dem „Wumms“ der Steuer-Milliarden unserer Wirtschaft in die Glieder fahren möge. […] Der Merkel-Ton ist ein Ton, der nach neuer Ernsthaftigkeit klingt. […] Der Muntermacher Scholz will der Mann des kommenden Aufschwungs sein. Dieser Schwung soll uns zu neuer Vollbeschäftigung und ihn bis in das Kanzleramt schwingen. Merkel zielt mit ihrer Tonalität nicht mehr auf das Publikum der Gegenwart, sondern auf die Überschrift im Geschichtsbuch. Ihre Wunschzeile: Die große Ernsthafte.
Beide Politiker haben erkannt, in welcher Phase ihres politischen Lebens sie sich befinden und gestalten ihre Reden entsprechend: Merkel regelt ihr Vermächtnis, Scholz strebt nach höheren Weihen.
So lässt sich die Wirkung von CEO-Reden steigern
Auch CEOs unterliegen einem Lebenszyklus. Das haben beispielsweise Personalberater von Spencer Stuart ermittelt: In ihrem Beitrag für die Harvard Business Review beschreiben sie fünf typische Phasen der Amtszeit eines CEO, deren Verlauf sich nach der Entwicklung des Aktienkurses des jeweiligen Unternehmens richtet. Diese Betrachtung greift aus meiner Sicht jedoch zu kurz. Ich bevorzuge eine Sichtweise, die vor allem die Bedürfnisse des CEO und die Erwartungen der Stakeholder in den Blick nimmt, die sich im Laufe der Amtszeit verändern. Deshalb orientiere ich mich stärker an den Gedanken der australischen Redenschreiberin Lucinda Holdforth, wobei ich den CEO Lifecycle in vier statt nur in drei Phasen einteile.

Vielen CEOs ist nicht bewusst, wie die Phasen des CEO Lifecycle ihre Reden prägen beziehungsweise prägen könnten. Dabei könnten sie mit ihren Reden eine deutlich größere Wirkung erzielen, wenn sie die Anforderungen jeder Phase des CEO Lifecycle verstehen und bei der Gestaltung ihrer Reden berücksichtigen würden.
1. Phase: Honeymoon
Der CEO ist frisch im Amt. Interne wie externe Stakeholder blicken gespannt auf die neue Führungskraft und richten ihre vielfältigen Erwartungen an sie. Mit Spannung werden die ersten Auftritte verfolgt. Der neue CEO muss sich erst noch profilieren. In den ersten Reden, mit denen der neue CEO von sich hören lässt, muss er seine Agenda vorstellen. Immer eingebettet in das Big Picture der Unternehmensstrategie und nicht zu konkret, um dem CEO einen möglichst großen Handlungsspielraum zu sichern. Dabei sollten seine Reden eine ausgewogene Balance zwischen hoffnungsvoller Vision und nüchternem Realitätssinn, Kontinuität und Veränderung wahren.
2. Phase: Maschinenraum
Die ersten 100 Tage sind vorbei. Jetzt muss der CEO liefern, was er versprochen hat. Die Medien schauen genauer hin oder haben ihr anfängliches Interesse bereits verloren. Auch intern hat die anfängliche Euphorie einer nüchternen Beurteilung des CEO Platz gemacht. Jetzt gilt es, an einer klaren und konsistenten Strategiekommunikation festzuhalten. Gerade die Regeltermine der Finanzberichterstattung bieten sich dafür an: Sie sind der ideale Kommunikationspunkt, um die Entscheidungen von Gestern mit den Ergebnissen von Heute und den Zielen von Morgen in einen Zusammenhang zu setzen. Wenn die Umstände es erfordern, muss das übergreifende Narrativ behutsam angepasst werden – jedoch immer so, dass es nicht so wirkt, als ob der CEO das Heft des Handelns aus der Hand gegeben hätte.
3. Phase: Diversifikation
Der CEO hat inzwischen ein klares Profil gewonnen. Er hat erste Erfolge gefeiert und Niederlagen überstanden. Auch mit Blick auf eine Verlängerung seines Vorstandsmandats oder einer neuen Aufgabe außerhalb des Unternehmens hat er ein Interesse daran, sein Profil zu erweitern und abzurunden. Damit dies gelingt, sollte der CEO auch in seinen Reden andere Themen als zuvor adressieren. Dafür bieten sich beispielsweise gesellschaftliche, soziale oder technologische Themen an – natürlich weiter mit Bezug zum eigenen Unternehmen. Nicht nur inhaltlich, auch im Hinblick auf Kommunikationsformate kann es jetzt an der Zeit sein, Neuland zu betreten, um neue Seiten des CEOs zum Vorschein zu bringen.
4. Phase: Vermächtnis
Die Amtszeit des CEOs läuft aus. Seine Ablösung steht bevor. Große, folgenreiche Entscheidungen beziehungsweise Kurswechsel sind nicht mehr zu erwarten. Höchste Zeit, das Vermächtnis zu regeln und zu beeinflussen, wie der scheidende CEO in Erinnerung behalten wird! Dies gelingt nicht, indem der CEO seine hoffentlich zahlreichen Errungenschaften aufzählt. Stattdessen sollten seine Reden die Kriterien liefern, an denen seine Amtszeit – natürlich möglichst vorteilhaft – gemessen werden sollen. Zudem bietet diese Phase die Möglichkeit, alle gesammelten Erfahrungen, Kenntnisse oder gar Weisheiten der Führungskraft ideal zur Geltung zu bringen. Schließlich kann der CEO jetzt deutlich freier und damit auch mutiger sprechen als zu Beginn seiner Amtszeit.
Sie sehen: Auch bei CEOs hat jede Rede ihre Zeit. Die vier Phasen des CEO Lifecycle zu verstehen, stellt sicher, dass die Rede ihre Wirkung entfaltet, indem sie beidem dient: der Sache und der Reputation des CEOs.