Golda Meir goes Hollywood – und inspiriert die Ukraine

Golda Meir bei einer Rede im israelischen Parlament, der Knesset. Foto: GPO

Hellen Mirren spielt Golda Meir. Die Grande Dame des englischen Films spielt die Grande Dame der politischen Welt Israels. Der Film soll in diesem Jahr in den Kinos laufen und wird mit Spannung erwartet. Wobei es schon einige Filme über die ehemalige Außenministerin und Ministerpräsidentin Israels gab; auch von Ingrid Bergman wurde sie grandios verkörpert. Doch ihre Geschichte wirkt sogar in die politische Gegenwart hinein. Geboren und aufgewachsen in Kiew, ist Golda Meir heute zur „Galionsfigur des ukrainischen Widerstands gegen die russischen Invasoren avanciert“, wie die Jüdische Allgemeine schrieb. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berief sich in seiner Video-Rede vor dem israelischen Parlament auf Worte von Golda Meir: „Wir wollen leben, aber unsere Nachbarn wollen uns tot sehen.“

Politische Persönlichkeiten und deren Arbeit wurden in Unmengen von Filmen verarbeitet. Filme sind aber auch selbst längst Instrumente der Politik, was gerade Wolodymyr Selenskyj als gelernter Schauspieler sehr professionell zu nutzen weiß. Ein spektakuläres Video, das ihn beim Gang durch die Hauptstadt Kiew zeigt, ist Realität in fiktionalem Gewand, Hollywood-Regisseure könnten es kaum besser inszenieren. Da liegt es auf der Hand, die Parallelen zu beleuchten zwischen der Filmwelt und der Politik, zwischen Show auf der Leinwand und Darstellung auf der Politbühne. Beides ist Showbusiness auf seine Art. Eine lockere Bestandsaufnahme anhand der Geschichte von Golda Meir in drei Szenen.

Golda Meir wurde am 3. Mai 1898 in Kiew geboren (damals Russisches Reich). Die Abbildung zeigt eine Büste an ihrem Geburtshaus in Kiew. Foto: Jerzy Dabrowski, picture-alliance

Macht der Worte nutzen

Zumindest seit der Post-Stummfilmära funktioniert Kino zum großen Teil über Worte, Sprache, Dialoge. Filmdialoge werden zu geflügelten Worten. Ob lustig („Ich habe eine Wassermelone getragen“), romantisch („Ich schau dir in die Augen, Kleines“) oder lebensklug („Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man kriegt.“), die meisten kennt jeder, der sich nur halbwegs für Filme interessiert. 

Die Macht der Worte wusste auch Golda Meir zu nutzen. Als Leiterin der politischen Abteilung der Jewish Agency, als Außenministerin und natürlich als Ministerpräsidentin hat sie bemerkenswerte Reden gehalten. Besonders markant war dabei ihre Klarheit, ihre schonungslose Ausdrucksweise. Einige ihrer Reden sind legendär, zum Beispiel als sie 1948 den amerikanischen Juden in Chicago finanzielle Unterstützung für jüdische Siedler in Palästina entlocken wollte, was für die Staatsgründung Israels essentiell war. „Freunde, wir haben in Palästina keine Alternative. Der Mufti und seine Männer haben uns den Krieg erklärt,“ ist ebenso deutlich wie hart. „Ich weiß, dass wir nicht etwas Leichtes verlangen. Ich war selbst manchmal aktiv bei verschiedenen Kampagnen und Spendensammlungen, und ich weiß, dass es nicht einfach ist, auf einen Schlag eine Summe zu sammeln, wie ich sie fordere“, heißt es in ihrer berühmten Chicagoer Rede weiter. 

Zum 60. Mal jährte sich nun auch die Rede, welche Golda Meir am 1. Mai 1962 als amtierende Außenministerin Israels zur Eröffnung der Allee der Gerechten unter den Völkern in Yad Vashem gehalten hat. Sie verwies dabei auf die wichtige Erinnerung besonders an diejenigen, die Juden im 2. Weltkrieg geholfen oder unterstützt haben. Hier war Meir in der Sprache bildgewaltig und formulierte: „Ein Tropfen der Liebe in einem Ozean voller Gift.“

Kontroversen auslösen

Kein Schauspiel ohne Drama, es muss ja nicht immer in Shakespeare’scher Manier enden: Kaum wurde bekannt, dass eben jene Hellen Mirren Golda Meir auf der Leinwand wieder Leben einhaucht, schoss es prompt aus der jüdischen Schauspielerin Maureen Lipman heraus, dass eine Nicht-Jüdin auf keinen Fall eine Jüdin verkörpern könne. Dame Hellen Mirren hat diesen Angriff diplomatisch pariert und auf ihr schauspielerisches Können verwiesen. Übrigens: Cate Blanchett bekam 2008 den Golden Globe für ihre Darstellung von Bob Dylan. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Und mehr Kontroverse als in der Politik gibt es kaum. Nordkorea einmal ausgenommen, existiert in fast jedem Land ein politischer Diskurs mit unterschiedlichen Facetten. Wahrscheinlich ihre politisch-heikelste Zeit hatte Golda Meir als Ministerpräsidentin im Jom-Kippur-Krieg 1973. Einer Warnung Jordaniens vor dem ersten Angriff hatte sie keine Bedeutung beigemessen. Während des Jom-Kippur-Krieges spielt auch der neue Kinofilm. Kurze Zeit später, 1974, wurde Jitzchak Rabin Ministerpräsident und die politische aktive Zeit Meirs ging ihrem Ende entgegen. Drama wie fürs Kino gemacht.

Populäre Darstellung Golda Meirs neben David Ben-Gurion und Moshe Dajan in einem Straßencafé in Tel Aviv. Sie ist in Israel eine Ikone. Foto: Jürgen Sterzenbach

Glamour zeigen

Wer so in der (leider immer noch) Männerdomäne Politik mitmischt, wie es Golda Meir schon in jungen Jahren tat, der hat zumindest keine Abneigung gegen den wirkungsvollen Auftritt. Ja, auch zahlreiche Affären gehören laut ihren Biografen zu Meirs Leben. Die große politische Bühne sowieso.

Hellen Mirren bekam übrigens erstmalig schauspielerische Aufmerksamkeit, als sie in einem pornografisch-angehauchtem Film mitspielte – und dabei ist sie mit diesem – sagen wir mal – „Flirten“ der Branche ganz bestimmt nicht allein.

Also, am Ende doch alles nur Sex, Drugs und Rock’n Roll? Bei Weitem nicht. Einen Satz hat die Politikerin Golda Meir gesagt, der immer noch aktuell und wahrer ist denn je. Die erste israelische Außenministerin sprach aus, was man übrigens auch heute noch problemlos auf die erste deutsche Außenministerin projizieren kann. Ein Satz, so bodenständig und einfach, dass sich Politik, Showbusinnes und die Gesellschaft ihn eigentlich täglich hinter die Ohren schreiben müssten:

„Frauen sollten nicht besser sein müssen als Männer, um als menschliche Wesen betrachtet zu werden.“

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