Digitale Hauptversammlungen 2021: Kopf an Kopf Rennen mit vorläufigem Fotofinish

Quelle: BMW

Update 23. Juli 2021: Das Ergebnis steht fest. In unserer heutigen Pressemitteilung haben wir unser Ranking veröffentlicht.

Er hat es wieder geschafft: Telekom-Vorstand Timotheus Höttges ist erneut bester Hauptversammlungs-Redner eines DAX-30-Unternehmens. Zu dem Ergebnis kamen die Analysten und Analystinnen des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). Auch der letzte Redner der diesjährigen HV-Saison, Volkswagen-CEO Herbert Diess, konnte daran nichts ändern. Doch erstmals siegte der Bonner Konzernchef nur knapp. BMW-Chef Oliver Zipse konnte wie Höttges mit einer starken Rede und einer fast perfekten Inszenierung punkten. Dritter – mit etwas Abstand – wurde Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender von Daimler.

Systematische Bewertung mit „Checks and Balances“ im Projektteam

Am 3. Februar startete die Hauptversammlungssaison 2021 mit Siemens. 20 VRdS-Mitglieder beteiligten sich daran, wie seit 2014, die Reden der CEOs im DAX 30 zu analysieren. Jeweils zwei VRdS-Analysten bildeten ein Tandem. Sie erstellten anhand von Beurteilungskriterien eine schriftliche Analyse. Sie vergaben für die CEO-Reden mit einer Matrix aus sechs Kategorien und rund sechzig Einzelaspekten jeweils Punkte von 1 bis 9.

Schon in den Tandems wurde um die Punkte gerungen. Bei formalen Kriterien wie korrekte Grammatik, Syntax oder Präpositionen folgte meist schnell eine Einigung. Komplexer ist eine Bewertung von Einzelaspekten, bei der auch Präferenzen des Betrachters eine Rolle spielen können. Auf den einen Analysierenden wirkt eine ruhige Sprechweise langweilig; für die Andere strahlt sie Seriosität und Ernsthaftigkeit aus. Objektivierbar hingegen: Sprechtempo, deutliche Artikulation und angemessene Stimmlage. Gleiches gilt für kongruente Körpersprache und den dramaturgischen Aufbau einer Hauptversammlung. Regelmäßig traf sich das Projektteam zu virtuellen Meetings, um über die Bewertungen zu beraten. So entstand ein gemeinsam geschärftes Bewusstsein für die Punktevergabe. Bisweilen passten die Tandems nach Beratungen im Team ihre Punktevergabe an. Die vier bestplatzierten Redner unterzogen die Analysten zusätzlichen „Checks & Balances“. Schließlich bewerteten jeweils fünf Analysten diese Redner, aus deren Einzelpunkten sie am Ende den Durchschnitt für die finale Punktzahl in den sechs Bewertungskriterien bildeten. Und ja, am Ende wurde es spannend wie der Zieleinlauf der Spitzengruppe bei einem Marathon.

Digitales HV-Format hat andere Rezeptionsbedingungen

Quelle: 01.04.2021 Bonn Deutsche Telekom Zentrale Hauptversammlung Deutsche Telekom AG 2021// Christian P. Illek, Prof. Dr. Ulrich Lehner
und Tim Höttges

Ob eine Rednerin eine gute Rede hält, spürt man auf einer Präsenzveranstaltung sofort. Wenn das Publikum die Ohren gespitzt hat; wenn stille und gespannte Aufmerksamkeit die Worte durch den Raum und direkt in die Herzen und Hirne der Zuhörenden tragen; wenn nach den wichtigen und richtigen Passagen tosender Applaus einsetzt: Dann kann es eine gute Rede gewesen sein. Im virtuellen Raum gibt es aber kein Applaus-O-Meter. Gleichwohl gelten weitgehend ähnliche Erfolgsfaktoren für eine Rede wie auf einer Präsenzveranstaltung. Vier unserer sechs Bewertungskriterien Aufbau & Struktur, Argumentation, Inhalt sowie Sprache & Rhetorik lassen sich vom Publikum im realen und virtuellen Rahmen ähnlich rezipieren. Das fünfte und sechste Kriterium, nämlich Auftritt und Inszenierung, unterliegen bei einem digitalen HV-Format komplett anderen Rezeptionsbedingungen. Der Redner kann keinen Augenkontakt zu den Zuhörenden aufbauen, er erhält kein unmittelbares Feedback wie Zwischenrufe, Applaus, Getuschel, Zeitunglesen oder Handyspielen im Publikum, dass ihn anspornt oder frustriert. Im Gegenteil schaut er in eine Kamera mit Teleprompter, was wie im letzten Jahr auch in dieser HV-Saison einige Redner einschüchtert. Der virtuelle Rahmen schafft eine schier unüberwindbar erscheinende Distanz. Der Redner muss diese Distanz mit seinem Auftritt und die Regie mit der Inszenierung dennoch überwinden. Es sind also Anforderungen wie bei einer TV-Produktion. Der Redner muss mit seinen Augen so in die Kamera schauen, dass sich die Zuschauenden an ihren digitalen Endgeräten angeschaut, angesprochen, gemeint und erkannt fühlen. Aber auf den Augenkontakt alleine kommt es auch nicht an. Gestik, Mimik und Erscheinungsbild des Redners müssen Authentizität, Glaubwürdigkeit und Vertrauen ausstrahlen, damit der Rezipient seine Gesamtbotschaft auch auf der nonverbalen beziehungsweise emotionalen Ebene aufnehmen kann. Es gibt CEOs unter den DAX 30-Konzernen, die diese Fähigkeiten haben. Einige besitzen dafür eine natürliche Begabung, andere müssen dafür vermutlich hart arbeiten.

Vertraulichkeit der Analysen stellt niemanden an den Pranger

Aber bevor ich über Auftritte und Inszenierungen der Bestplatzierten in dieser HV-Saison schwärme, betrachte ich zunächst die Besonderheiten der ersten vier Kategorien in diesem Jahr. Dabei erwähne ich lediglich die in diesen Kategorien gelungenen Reden mit dem Namen der Konzerne; die Negativbeispiele löse ich nicht auf, weil wir mit unserem Analyseprojekt niemanden an einen Pranger stellen wollen. Übrigens: Deshalb veröffentlichen wir unsere ausführlichen, rund 1.500 Wörter umfassenden Analysen auch nicht. Wir stellen sie den Unternehmen lediglich vertraulich und selbstverständlich kostenfrei zur Verfügung. Sie erhalten neben der Analyse in den sechs Kategorien eine Zusammenfassung ihrer Stärken und Schwächen sowie wertvolle Anregungen, wie sie sich bei ihren nächsten Reden verbessern könnten.

Aufbau & Struktur wird zu oft Stiefmütterlich behandelt

Manche Reden waren diesmal 45 Minuten und länger, andere nur 20 Minuten. So lange können Zuhörende nur aufmerksam folgen, wenn sie erkennbar strukturiert durch den Redner geführt werden. Eine überzeugende Rede beginnt mit einem starken Einstieg, braucht einen jederzeit erkennbaren roten Faden, eine Kernbotschaft und einen Schlussteil, der die wichtigsten Aussagen mit einer Perspektive abrundet. Jede Rede über fünf Minuten sollte in inhaltliche Abschnitte unterteilt sein; idealerweise gibt der Redner immer wieder Signale, wenn er einen Abschnittswechsel vornimmt. „Ich komme damit zu Soundso …“ ist zwar nicht elegant, ist aber geeignet, die Zuhörer mitzunehmen. Überzeugend gelingt dies in der HV Saison nur wenigen Rednern. Konventionelle Einstiege mit ellenlangen Grußformeln und Rückbezüge auf Vorjahre ohne Einordnung in das Hier und Jetzt lassen schnell Langeweile aufkommen. Nur wenige Redner geben nach einem kurzen Einstieg, der idealerweise die Kernbotschaft transportiert, eine Agenda bekannt. Aber selbst wenn anfangs die Struktur erkennbar wird, franst diese bisweilen im Vortrag aus. So geht den Zuhörenden die Orientierung verloren, die selbst gut gestaltete PowerPoint-Präsentationen nicht wiederherstellen können. Nur der BMW-CEO Oliver Zipse erzielt in dieser Kategorie acht Punkte. Seine Rede gliedert er in zwei Teile: die strategische Zukunftsorientierung einerseits und die gegenwärtigen Grundlagen andererseits. Sowohl in seinem Redetext als auch mit den Charts bezieht er sich wieder darauf und gibt auch Überleitungssignale, wenn er zu einem anderen Unterpunkt kommt, der zudem durch Videoeinspieler und Charts angekündigt wird. Gleich zu Beginn verknüpft er den „Wir“-Begriff mit den internen und externen Unternehmenszielen sowie den jeweiligen Stakeholdern (Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, Gesellschaft). Seine Botschaften, Aussagen und Grundgedanken in der Rede sind jederzeit klar erkennbar, verständlich formuliert und logisch aufeinander bezogen. Manche Redner verquicken bisweilen sprunghaft verschiedene Themen und Inhalte, erzeugen Redundanz und verhindern so eine Einordnung. Diese Themen sind häufig Corona, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die bei manchen Reden angeflanscht aber nicht organisch eingebettet werden.

Der Argumentation fehlt bisweilen Gründlichkeit

Sieben Punkte in dieser Kategorie konnten unsere Analysten-Tandems gleich mehrfach vergeben. Besonders angetan hatte es dem Analysten-Tandem die Rede von Theodor Weimer, Deutsche Börse, dem sie eine höchst abwechslungsreiche Argumentation bescheinigten: „Von Zahlen und Fakten über anschauliche Beispiele, Geschichten und Appelle bis hin zur klar erkennbaren Haltung des Redners ist alles dabei. Besonders auffällig ist, dass die Person und Haltung des Redners gleich an mehreren Stellen deutlich zum Vorschein kommen. Das Publikum erfährt sowohl etwas über Theodor Weimers private Interessen („ambitioniertes Radfahren“) als auch seine Meinung zu politischen (US-Politik), gesellschaftlichen („Ein Hoch auf die Vielfalt“, Lob unabhängigen Journalismus) und wirtschaftlichen Themen.“ Dem hingegen beschränken sich viele CEOs auf ein paar Zahlen und bemühen sich bisweilen nicht einmal, irgendetwas zu erklären oder eine Behauptung mit Argumenten zu unterfüttern. Besonders krass sind nicht belegte Scheinargumente. Ein Tandem klagte, der Redner beziehe „sich auf Analysen Dritter, nennt Ross und Reiter aber nicht. Vieles wirkt vage oder oberflächlich und klingt mehr nach Wunschdenken als nach konkreter Planung. Gerade die Aussagen zu den für Kapitalanleger so wichtigen Wachstumschancen werden nur von wenig tragfähigen Aussagen und einem ebenso lieblos wie fragwürdig gestalteten Schaubild begleitet.“ So ist es auch kein Wunder, dass die Analyst*innen hier nur auf drei Punkte erkannten. In einem anderen Fall, bei dem wir das Unternehmen ebenfalls nicht nennen, war das Redemanuskript recht ordentlich, der Vortrag aber gelinde gesagt lieblos. Die Redenschreiber müssen nach dieser HV ihren Chef verwunschen haben, dass er die gute Vorlage von gut 40 bis 45 Minuten Textlänge in nur 21 Minuten abarbeitete und die Hälfte ausließ. Der CEO trug weitgehend frei und begeistert (von seinem Unternehmen, seinem Produkt oder sich selber) vor. Aber die guten Storys verhaspelte er, als wäre er getrieben. Chance vertan, leider.

Inhalte überzeugen, wenn es nicht nur um Gewinn geht

Nur an drei Redner vergaben die Analysten-Tandems in der Kategorie „Inhalte“ sieben Punkte. Ein Tandem lobt: „Der Redner lässt vor den Augen und Ohren der Zuhörer das Bild eines top-modernen Unternehmens entstehen, das hohe Investitionen und Anstrengungen unternimmt, um die konkurrierenden Nachhaltigkeitsziele (Ökologie, Ökonomie und Soziales) im Rahmen einer kohärenten Strategie zu vereinen.“ Über Timotheus Höttges, den Telekom CEO, schreiben sie: „In den sechs Leitlinien zeichnet Tim Höttges ein umfassendes Bild der Deutschen Telekom und zeigt mit seiner Präsentation eine klare Orientierung an den Zuhörenden. Er bettet diese Leitlinie ein in die Haltung, von der auch die Aktionär*innen profitieren.“ Bei unserer Bewertungskategorie Inhalte zeigt sich deutlich, dass der eigentliche Unternehmenszweck zwar weiterhin im Mittelpunkt der CEO-Reden in der HV-Saison 2021 steht, dieser aber immer deutlicher in einem gesellschaftlichen Kontext eingebettet wird. Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Diversität werden in fast allen Reden behandelt, weil sie heute auch ein Wettbewerbsfaktor sind und auf die Marke und das Image eines Unternehmens einzahlen. Häufig aber werden sie lediglich erwähnt, mit anderen Themen vermischt und dann auch noch redundant an mehreren Stellen aufgegriffen. Vor allem Unternehmen aus der Automobilindustrie unterliegen in allen Segmenten einer radikalen Transformation zur Elektromobilität. Hier lauert ebenso die Gefahr der Redundanz, die dieses Jahr in einigen Reden vorkam. Ola Kallenius gelingt es aber, sein Hauptthema gut zu verteilen, meinten die Analysten: „Die Inhalte bauen logisch aufeinander auf. Und obwohl bei der E-Technologie in der Fahrzeugflotte mit einiger Redundanz zu rechnen ist, verteilt Ola Kallenius die Themen geschickt über die fünf Fahrzeugsegmente.“ Generell nimmt „Gesellschaftliche Verantwortung“ bei allen Rednern einen größeren Raum ein; bisweilen verbleibt es aber bei einer eher deskriptiven Betrachtung. Über einen CEO schreibt unser Tandem: „Auch auf gesellschaftliche Themen geht der Redner ein. Doch seine Ausführungen sind gerade bei der Nachhaltigkeit rein beschreibender Natur; er geht nicht auf die Motivation seines Unternehmens ein, sich für Nachhaltigkeit stark zu machen. Auch bleibt unklar, wie das Unternehmen seine Klimaziele erreichen will. Überhaupt fällt der Teil sehr kurz aus angesichts der Bedeutung, die dieses Thema derzeit erfährt. Auch in puncto Digitalisierung bleibt manches unklar.“

Sprache & Rhetorik auf formale Verständlichkeit getrimmt

Bei unserer Kategorie Sprache & Rhetorik vergaben die Tandems zwei Mal acht Punkte. Diese beiden Redner „übertreffen die Anforderungen deutlich“. Beim Telekom-Chef lobte das Tandem eine sehr bildhafte Sprache, „die auch komplizierte Inhalte leicht verständlich kommuniziert.“ Gerade bei technisch anspruchsvollen Produkten oder Herstellungsverfahren gelingt nur wenigen Rednern, mit sprechenden Bildern und Geschichten den Nutzwert für Markt und Verbraucher in überzeugende Sprache zu übersetzen. Immer wieder verwenden sie abgegriffene Metaphern wie „…am Ende des Tages“ oder „Licht am Ende des Tunnels“. Am häufigsten eingesetzt wird die rhetorische Frage oder auch die Frage als Überleitung zu einem neuen Redeabschnitt („Nun, wie wollen wir diese Ziele erreichen?“). Rhetorisch besonders überzeugen konnte auch der Chef der Deutschen Börse, über dessen Rhetorik das Tandem schrieb: „Der Börsenchef macht in seiner gesamten Rede regen Gebrauch von rhetorischen Stilmitteln und setzt dabei für Hauptversammlungsreden einen neuen Standard. Von rhetorischen Fragen („Erinnern Sie sich an die Empfänge zum Neujahr 2020?“) über Kontraste („Ich spreche nicht von irgendeinem Unternehmen. Ich spreche von einem global führenden Unternehmen.“) bis hin zu Metaphern und Analogien ist alles dabei. Die Sprachbilder sind allesamt passend, nicht wenige originell: „Als würde das Wegwerfen des Thermometers das Fieber besiegen.“, „Rückschwung des Pendels““, „Börsen sind wie eine Fitness-App“.“ Bei Tim Höttges fiel auf, dass er durchweg in kurzen Sätzen sprach, was bisweilen in Ein- oder Zwei-Wortsätzen gipfelte. Das Tandem schrieb dazu: „Allerdings markiert der Punkt im Redemanuskript oft nicht das Satz- beziehungsweise Gedankenende, sondern fungiert eher als Zeichen für eine kurze Pause.“ Höttges trägt also vor, engagiert sich für die Verständlichkeit wider die Interpunktion im Manuskript, die auf Verständlichkeit zielt, aber ins absurd-maskenhafte Stakkato verfällt. In einem Negativ Beispiel trug eine solche extreme Kurzsatzrede ein weniger begnadeter Kurzsatzredner vor, der dabei an ein paar Stellen ins Schlingern geriet. Dieses Tandem analysierte: „Immer mehr Reden der DAX30-CEOs durchlaufen mutmaßlich eine computergestützte Textoptimierung. Dabei geht es um Verständlichkeit. Und das hat Vorteile: Bandwurmsätze sind tabu. Anglizismen ebenso. Und auch umständlichen Passivkonstruktionen, Nominalisierungen, Abkürzungen, Füllwörtern oder altertümlichen Redewendungen geht es an den Kragen. Auch die hier analysierte Rede des eigentlich brillanten Redners hat möglicherweise eine solche Software-Kur durchlaufen. Das hat erst einmal positive Folgen. Vieles, was früher störte, für Langatmigkeit und Langeweile sorgte, ist jetzt verschwunden. Aber: Alles hat zwei Seiten. Auch in diesem Fall. Die neuen kurzen Sätze schaffen eine neue Art der Eintönigkeit. Und erschweren mitunter sogar die Verständlichkeit. Sprach- und Sprechmelodie gehen verloren. Schließlich können fehlende Füllwörter auch bewirken, dass im gesprochenen Text die Orientierungsmarken fehlen. Und manch ein Publikum könnte sich gar latent beleidigt fühlen, wenn man es anspricht, als gelte es einer Gruppe von Lernbeeinträchtigten halbwegs komplizierte Sachverhalte zu erklären.“

Betrachten Sie dazu auch ein Interview, dass unsere Präsidentin Jacqueline Schäfer mit unserem Rhetorikanalysten Peter Sprong führte über das Thema „Was Hauptversammlungen verständlich macht“:

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Auftritt und Inszenierung: Überwiegend abgefilmte Präsenzveranstaltungen

Das ist mittlerweile die zweite HV-Saison, die ausschließlich virtuell stattfindet. Letztes Jahr waren viele DAX-30 Aktionärsversammlungen abgefilmte Präsenzveranstaltungen. Umso gespannter war unser Projektteam dieses Jahr, ob und wie professionell sich die Vorstands- und Investor Relations-Abteilungen auf das digitale Format einlassen würden. Und würden sich die CEOs auf die Herausforderung vorbereiten, über eine Kamera den (indirekten) Kontakt zu seinen Zuhörenden aufzubauen? Die kurze Antwort lautet mit Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber …“. Im bisherigen Durchschnitt vergaben die VRdS-Analysten 5 Punkte von neun möglichen in der Bewertungskategorie Inszenierung. Beim Auftritt sind es im Schnitt bisher 5,15. Bei den meisten HVen stand bisher ein überdimensionales Podium, auf dem Corona-bedingt die wichtigsten Aufsichtsrat-, Vorstandsmitglieder und der Notar Platz nahmen. Die meisten Redner standen an einem Pult. Im Hintergrund liefen kurze Einspielfilme und PowerPoint-Charts. Immerhin sind die Charts heutzutage etwas seltener überfrachtet. Bei jeder HV ist die Corporate Identity und das Design angemessen umgesetzt. Meistens entschied sich die HV-Regie für ein nüchternes Event-Setting, das seine Farbe von Bewegtbild und Fotos fröhlicher Menschen bezieht. So weit, so ok. Die Mehrzahl der Redner klemmt hinter dem Pult, wird von maximal zwei Kameras gefilmt, wobei nur eine mit einem Teleprompter ausgestattet ist. Das führt zu einem überwiegend statischen Bildausschnitt, der selten von der zweiten Kamera unterbrochen wird. Zwar bemühen sich fast alle Redner, in die Kamera zu blicken und damit mit den Zuschauenden in Kontakt zu treten; aber nur selten gelingt es, tatsächlich auf den Endgeräten die Wirkung und Bühnenpräsenz herzustellen, die ein guter Redner auf einer „Würstchen + Kartoffelsalat-HV“ herzustellen vermag.

Erfrischende Ausnahmen beim Auftritt brillieren und setzen Maßstäbe

Einleitend zu diesem vorletzten Abschnitt sei angemerkt, dass die Top 5 Redner in dieser HV-Saison in allen Kategorien überdurchschnittlich Punktzahlen erreichten. Auftritt und Inszenierung waren also gleichgewichtet. Nur eine flotte Inszenierung und gewagte Kameraschwenks sowie brillante Bühnenbilder begründen noch keine Bestplatzierung. Aber gute Sprache und Inhalte, sauber hergeleitete Argumente, eine geschickte Struktur können Zuschauer noch klarer erfassen, wenn sie lebendig und auf Augenhöhe erlebbar werden. Und damit dies gelingt, müssen Auftritt und Inszenierung in einem digitalen Format andere „Spielregeln“ beherrschen. Telekomchef Höttges attestieren die Analysten eine starke Bühnenpräsenz. Auch Oliver Zipse wirkt mit Gestik, Mimik, Augenkontakt und seinem Gang durch die kleine Fahrzeugflotte stets nah beim Zuschauer. Seine Hände unterstreichen sehr variantenreich seine Aussagen. „Er blickt in die drei bis vier Kameras, von denen mindestens zwei mit einem Teleprompter versehen sind. Dabei vermittelt er aber nicht den Eindruck, dass er ablese, sondern dass er sich ganz auf sein digital-virtuelles Publikum konzentriert“, schreibt das Analysten-Tandem. Auch Tim Höttges überzeugt dieses Jahr noch mehr als letztes Jahr. Auf die Analyst*innen wirkte der Telekom-CEO 2020 im ersten virtuellen Format noch eher fahrig, „beeindruckt […] 2021 durch Natürlichkeit und konsequenten Blickkontakt mit der Kamera – dem wahren Auge des digitalen Publikums. Sein offener, freundlicher und mitunter fröhlicher Gesichtsausdruck macht wett, dass er kaum lächelt. Seinem Sprechtempo ist gut zu folgen. Er setzt Pausen, um Zuhörenden zu erlauben, das Gesagte aufzunehmen, oder um einer wichtigen Aussage Gewicht zu verleihen.“ Das trifft auch weitgehend auf Oliver Zipse zu, dessen Sprechgeschwindigkeit aber als etwas langsam und damit zu getragen wirkte. „Es betont jede Silbe sehr bewusst und nur selten deutet sich ein „Versprecher“ an“, lobte das Analysten-Tandem. „Pausen und die Variation der Sprechgeschwindigkeit sorgen für Abwechslung in der insgesamt unaufgeregt vorgetragenen Rede.“ Beim Telekomchef loben die Analyst*innen zudem, dass er „gut mit den Händen sprechen kann. Mal sind sie locker ineinandergelegt, mal zur Raute geformt, hin und wieder leicht zur Faust geschlossen. Zudem nutzt er metaphorische Gesten. Redeinhalt und Körpersprache sind durchweg kongruent.“

Telekom, BMW und Daimler mit sendefähigen Inszenierungen und Bühnenbildern

Natürlich ist die Inszenierung nur eine von sechs Bewertungskategorien. Gleichwohl spielt sie im digitalen Format eine wesentlich wichtigere Rolle, um die Wahrnehmbarkeit der anderen fünf Kategorien überhaupt zu ermöglichen. Hier setzen die drei bisherigen Bestplatzierten neue Maßstäbe.

Das schreiben die Analysten-Tandems über die Inszenierungen von Telekom, BMW und Daimler:

Telekom

Quelle: Deutsche Telekom AG Timotheus Hoettges

„Die Inszenierung der diesjährigen Hauptversammlung der Deutschen Telekom hebt das virtuelle Format auf ein neues Level. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, dass Online-Veranstaltungen sehr gut funktionieren, wenn das Digitale als Chance und nicht als Corona-bedingte Notlösung begriffen wird. Das passt zu Auftrag und Selbstverständnis der Deutschen Telekom.“

 

 

BMW

Quelle: BMW, Oliver Zipse

„Die BMW AG und Oliver Zipse setzen mit diesem Gesamtauftritt neue Maßstäbe für digitale Hauptversammlungen. Anders als bei vielen DAX30-Konzernen wurden die digitalen Produktionsbedingungen nicht nur genutzt, sondern gekonnt für die Zuschauer an ihren digitalen Endgeräten für einen insgesamt stimmigen Auftritt eingesetzt.“

 

Daimler

Quelle: Daimler AG – Ola Källenius

„Insgesamt sind dem Redner und seinem Team eine überdurchschnittlich gute Rede mit einer sehr guten Performance gelungen. Technikfaszination und positive Zukunftsstimmung der Rede werden eindrücklich ins Bild gesetzt. Der Medieneinsatz visualisiert und ergänzt die Rede stimmig. Folien sind nicht überladen. Sie können vom Hörer leicht erfasst werden. Filmeinspielungen erhöhen die Spannung und bringen zusätzlichen Unterhaltungswert.“

 

 

Zwischenfazit und vorläufiges Fotofinish

Noch läuft die HV-Saison 2021 bis Ende Juli. Erst wenn Volkswagen seine Aktionärsversammlungen abgehalten hat, wissen wir, wer es diesmal unter die Top 5 Redner schaffte. In jedem Fall sind darunter BMW, Telekom, Daimler und Deutsche Börse. Zwischen diesen CEOs kam es nach langen Diskussionen unter dem Projektteam und zusätzlichen drei Einzelanalysen zu einem Fotofinish, das wie in den Vorjahren Tim Höttges für sich entschied. Allerdings wird sein Vorsprung immer kürzer. Oliver Zipse erhielt in der Gesamtwertung nur 0,17 Punkte weniger. Ein Wimpernschlagfinale also mit zwei Rednern, die beide auf ihre Weise neue Standards für virtuelle Hauptversammlungen legten.

Die Top 10 der HV-Saison 2021

  1. Timotheus Höttges, Deutsche Telekom AG
  2. Oliver Zipse, BMW AG
  3. Ola Källenius, Daimler AG
  4. Theodor Weimer, Deutsche Börse AG und Herbert Diess, Volkswagen AG*
  5. Dominik von Achten, HeidelbergCement AG
  6. Rolf Buch, Vonovia AG
  7. Christian Sewing, Deutsche Bank AG
  8. Werner Baumann, Bayer AG
  9. Nikolai Setzer, Continental AG

* Nach der olympischen Ranking-Logik: Gibt es auf einem Medaillenrang eine Doppelplatzierung, fällt der nächste Rang weg.

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