Die Macht der Worte

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Worte haben Macht. Kaum etwas drückt dies besser aus als dieses populäre Kurzvideo eines blinden Bettlers. Was für Pappschilder auf der Straße gilt, trifft erst recht auf Reden zu. Gute Reden sind Führungsinstrumente. Anders als Vorträge oder Referate dienen sie nicht nur der Wissensvermittlung, sondern vor allem der Willensbeeinflussung. Dazu braucht es die richtigen Worte und Formulierungen. Denn ohne sie bleibt die Rede wirkungslos. 

Kein Stilmittel ist dabei so schlagkräftig wie die Metapher. Metaphern haben Macht über uns. Sie beeinflussen, wie wir denken, fühlen und handeln. Wer sich auf ihre Nutzung versteht, kann Menschen mobilisieren oder auch manipulieren. Autor und Redenschreiber Simon Lancaster spricht zurecht von „The art of spin“. 

Führungskunst

Mit der richtigen Metapher können Menschen für große Veränderungen gewonnen werden. Ein schönes Beispiel dafür liefert die Story des Turnarounds von IBM in den 90er-Jahren. Das Großunternehmen geriet damals durch neue Wettbewerber wie Microsoft und Apple in die Krise. Mit Louis Gerstner wurde ein neuer CEO angeheuert, der den unbeweglichen Elefanten IBM zerschlagen sollte. Er entschied sich für einen anderen Weg: IBM blieb ein Großunternehmen, startete aber eine tiefgreifende Transformation. Dafür wählte Gerstner eine genial-einfache Metapher, um die Mitarbeiter für den neuen Kurs zu gewinnen: IBM als tanzenden Elefanten.

Metaphern kommen lange nicht nur in der Wirtschaft zum Einsatz. Vor allem in der politischen Kommunikation werden sie gezielt eingesetzt, um Wähler zu mobilisieren, politische Entscheidungen zu rechtfertigen und Kritiker verstummen zu lassen. Dabei verfehlen sie ihre Wirkung fast nie, wie zahlreiche Beispiele aus Geschichte und Gegenwart eindrucksvoll illustrieren. 

Verführungskunst

Hitler bezeichnete Juden als Bazillenträger und Parasiten und rechtfertigte so die todbringenden Konzentrationslager. Kein Wunder, dass der Linguist George Lakoff feststellt: Metaphern können töten. 

Während der Hochphase der letzten Flüchtlingskrise kamen viele Sprachbilder zum Einsatz, die auf Bedrohungen und Katastrophen anspielten: Da war von einer Lawine die Rede, vom Flüchtlingsstrom und von Wellen. Solche Metaphern schüren Ängste und lassen den Einsatz von Soldaten zur Grenzsicherung in erster Linie als notwendige Schutzmaßnahme erscheinen. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dominierte die Kriegsrhetorik und erleichterte die Durchsetzung starker Einschränkungen im öffentlichen Leben. 

Überredungskunst

Die Wirkung von Metaphern ist auch wissenschaftlich belegt: 2011 haben zwei Wissenschaftler der Stanford University herausgefunden, dass die Metapher, die für die Beschreibung von Kriminalität gewählt wird, großen Einfluss darauf hat, welche Maßnahmen zur Bekämpfung befürwortet werden. Wurde in der Studie die Kriminalität als „Bestie“ bezeichnet, die eine Stadt heimsucht, waren die Probanden eher bereit, auf harte Vollstreckungsmaßnahmen zu setzen. War hingegen von einem „Virus“ die Rede, setzten sie stattdessen auf soziale Reformen. 

Das zeigt: Metaphern haben Macht. Dies zu verstehen ist essenziell. Für RednerInnen, um die Wirkung ihres gesprochenen Wortes zu steigern. Für RedenschreiberInnen, um die Metaphern zu finden, mit denen sich das Beeinflussungsziel der Rede erreichen lässt. Und nicht zuletzt auch für alle ZuhörerInnen und EmpfängerInnen von Kommunikation jeder Art, um legitime Führung von Irreführung zu unterscheiden. 

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